4.000 Meter tiefe Rutschpartie

Puh, da haben wir gerade noch Glück gehabt.

Genau an dem Tag unserer Heimreise bekamen wir die Info über die Sperrung der anglophonen Regionen durch „weltwärts“. Da hatten wir es gerade noch so geschafft den Mount Cameroon/ Mount Fako zu besteigen, dieser liegt nämlich zwischen Buea und Limbe, beides Städte im anglophonen South-West.

Und jetzt nochmal von Anfang an! Meine Mitfreiwilligen und ich hatten beschlossen über Luises Geburtstag auf den 4000 Meter hohen Mount Cameroon zu klettern. Keine leichte Aufgabe, aber wir waren bereit uns dieser zu stellen. Und so trafen wir uns alle am 06.03.18 in Buea um mit der Organisation „Sarah Etonge Foundation“ den Aufstieg zu starten. Auf uns warteten bereits einige Porter (Träger) und Guides (Führer), die schon die ganzen Lebensmittel und Wasserflaschen auf ihre riesigen Rucksäcke verteilt hatten. Und durch einige Verspätungen konnten wir dann auch schon um 09:30 losmarschieren. Pierre der Leiter der Organisation brachte uns noch ein Stück und von da an überließ er uns Kale, unserem Hauptguide. Ich muss sagen, dass ich schon in der ersten halben Stunde mächtig ins Schwitzen geraten bin, da die strahlende Sonne uns auf die Köpfe bretzelte. Heilfroh waren wir alle, als wir endlich die Baumgrenze erreichten und es durch den Wald ging. Weniger anstrengend wurde es deshalb trotzdem nicht. Immer weiter Berg auf durch den kühlen Wald mit kleineren Verschnaufpausen dazwischen. Doch noch war uns zu Lachen zumute. Am Eingang zum Nationalpark des Mount Cameroon legten wir noch eine kleine Rast ein, in der ich erst einmal ein paar wunde Stellen an meinen Füßen verarzten musste. Nachdem Kale es sich nicht nehmen ließ, das höchstpersönlich durchzuführen, wurden meine Socken von ihm dann auch noch als zu dünn angesehen. Ehe ich mich versah, hatte ich auch schon Socken von meinem lieben Guide übergezogen bekommen und es konnte weitergehen. (Nur so viel: Kale hat mir mehr als einmal meine Füße gerettet)

Die Truppe

Durch den Wald



An Hut 1 waren mega froh, endlich eine etwas größere Pause zu machen und etwas zu essen. Unsere lieben Porter hatten uns schon auf dem Weg nach oben alle überholt und warteten schon genüsslich kauend auf uns. Immer dabei: das Handy mit Musik. Kale erklärte uns in der Zwischenzeit, dass wir nun bis nach Hut 2 laufen und nach einer kleinen Pause das anstrengendste Stück zu der „Fako Mountain Lounge“, unserem Nachtlager zurücklege würden. Kaum hatten wir die Baumgrenze hinter uns gelassen musste erst einmal getanzt werden, um den Berg zu beruhigen und ihn uns wohlgesonnen zu stimmen. Jeder hatte zwei Gegenstände, wie Sträucher, in der Hand und dazu sangen wir: „mouya mo mvoko moundoh ne wehya“. Nachdem das Lied beendet war, mussten wir die Gegenstände hinter uns werfen. Und schon ging es weiter und ich muss sagen, es wurde immer anstrengender. Nicht, weil es immer steiler wurde, sondern die Luft wurde immer dünner und es viel mir mehr als schwer tief durchzuatmen. Ich hatte das Gefühl, egal wie tief ich atme, es kommt einfach nicht an.
Aufstieg

Aber der „schönste“ Teil kam ja erst noch! Nach Hut 2 ging es nämlich steil bergauf und der Boden bestand nur noch aus kleinen und großen Steinen, die gerne einfach unter den Füßen wegrutschten. Mit viel Gefluche und Gestöhne machte ich mich an den Aufstieg und war Gott froh, dass Maria immer an meiner Seite war und sich auf jede noch so kleine Pause von mir einließ. Und irgendwann kam auch noch einer der Porter dazu, Julius. Der mich immer wieder anstachelte und ermutigte weiterzumachen. Er ging sogar so weit, dass er bei jeder meiner kleinen Pausen (nicht gerade wenige) auch stoppte, obwohl er in der Zeit wahrscheinlich zweimal das Stück hoch und wieder runter gelaufen wäre. Beide hörten sich mein Gemotze über diesen „Sch***berg“ an und das ich am liebsten umdrehen würde und behielten mich mit Engelsgeduld bei sich. Ohne die beiden wäre ich wahrscheinlich nie bei der „Fako Mountain Longue“ angekommen. Und Maria verdanke ich eigentlich den ganzen Aufstieg, denn obwohl ich immer wieder Pausen benötigte, wegen der Luft und viel am Fluchen war, ließ sie mich den ganzen Aufstieg nicht alleine. Zwischendurch hörten wir dann auch Makkaroni (Spitzname), einen der anderen Porter über uns auftauchen und in sehr eindeutigen Lauten „Vitex, vitex, vitex“ rufen. Das fand ich von superlustig bis tierisch nervend.

Stolz wie Oskar und ziemlich abgekämpft kamen wir dann schließlich an unserem Nachtlager an. Während die Porter sich daran machten uns ein leckeres Abendessen zuzubereiten, legten wir erst mal die stinkigen Füße hoch. Doch es dauerte nur ein paar Minuten, bis wir wieder herumalberten und Annkathrin und ich eine heiße Sohle aufs Parkett legten. Und dann war es endlich so weit, das Essen war bereit und die Zelte aufgebaut. Es wurde auch schon richtig kühl und wir schlugen uns die Mägen voll und kuschelten uns ums Feuer. Zwei unserer Porter, Julius und Makkaroni, zeigten mir dann noch das Video „Vitex“, damit ich verstehen konnte, warum Makkaroni das immer sang. Und was ich sah war ein verstörendes Video, in dem es nur darum geht, wie Frauen ihre prallen Hintern im Rhythmus an den Geschlechtsteilen der Männer reiben und die Männer in stoßenden Bewegungen dagegen bewegen. Also alles sehr eindeutig, worum es da geht. Eine kleine Diskussion entbrannte, ob das die einzige Art sei mit einer Frau zu tanzen und die Jungs natürlich der festen Überzeugung waren, es sei zumindest die Beste. Aber egal, was wir von dem Video hielten, dieses Lied wurde ab diesem Moment zu unserem Begleiter auf dem Mount Cameroon. Noch spät abends, als wir uns in unsere Schlafsäcke, eingepackt in allen Kleidern, die zu finden waren, kuschelten, brach es aus uns heraus. Und man hörte ein immer lauter werdendes „Vitex, vitex, vitex“ von uns und ich entschuldige mich hiermit tausendmal bei unseren Zeltnachbarn, die wahrscheinlich total genervt von uns waren.

Endlich an der "Fako Mountain Lounge"

Sonnenuntergang "Fako Mountain Lounge"

Am nächsten Morgen ging es dann in aller Hergottsfrühe aus den Federn. Mit noch Schlafsand in den Augen und Taschenlampen in den Händen wankten wir die ersten steilen Meter nach oben. Und die Luft wurde noch dünner. Immer an meiner Seite Maria, die mich motivierte und brav mit mir wartete, wenn ich mal wieder nicht so viel Luft bekam. Nach zwei Stunden reichte es uns dann schon wieder, Annkathrin ließ sich mit den Worten: „Ich muss erst was essen, bevor ich mich wieder bewege!“, auf den Boden fallen. Und Kale holte uns das Brot, die Schokoladencreme und den Käse raus und wir konnten uns erst mal stärken. Viel zu schnell war die Pause dann auch schon wieder vorbei und wir mussten weiter. Immer weiter nach oben, es wurde immer steiler und man konnte nur noch an kleinen weißen Markierungen erkennen, wo eigentlich der Weg entlangging. Aber der Sonnenaufgang und der Ausblick war atemberaubend. Man sah nichts mehr von irgendwelchen Städten, die unter uns waren, nur noch Wolken und Himmel. Und immer, wenn man beim Laufen das Gefühl hatte, gleich haben wir den höchsten Teil erreicht und es geht flacher weiter, erkannte man nach einer kurzen Weile, nein! Es geht noch weiter steil bergauf. Aber irgendwann hatte auch dieser Teil ein Ende und wir erreichten ein etwas flacheres Stück Land auf der einen kleinen Hütte stand. Hier machten wir erschöpft Rast und stärkten uns wieder mit Brot und Schokolade. Auf flacherem Land, unter starkem Wind, ging es dann an den letzten Aufstieg. Wir hatten alle nur noch ein Ziel: diesen gottverdammten Gipfel zu erreichen. Es dauerte aber noch eine ganze Weile, denn nur weil es flacher war, heißt das nicht, weniger anstrengend. Vor allem, ein längerer Marsch, schließlich hatten wir noch einige Höhenmeter zu erreichen. Und dann war es endlich soweit:

Wir sahen den letzten kleinen Berg, den wir hinauf mussten! Und dann wären wir auf der Spitze!

Die letzten Kraftreserven wurden mobilisiert und es ging nach oben. Ich kann nicht beschreiben, welches Gefühl es in mir auslöste, endlich auf der Spitze zu stehen und auf das Schild zu starren, welches mir eindeutig bewies, dass ich, Carla Kerbe, kleines Mädchen aus einem verschlafenen Dorf in Deutschland, es geschafft hatte, dieses Ungetüm von 4000 Meter Höhe zu besteigen.
Begossen wurde unser Erfolg dann erst einmal mit einem kleinen Schnaps! Auf unser Wohl!
Und schon ging es wieder an den Abstieg, schließlich mussten wir jetzt noch einige Höhenmeter nach unten schaffen, bevor wir unseren Schlafplatz erreichten.

Der Gipfel

 Meine Heldin und ich

Alle Zusammen

Wenn ich der Meinung war, ein Aufstieg ist schwer, dann weiß ich heute, dass ein Abstieg noch viel schlimmer ist. Der erste Teil war eigentlich nur eine Rutschpartie auf kleinen Vulkansteinen, in die man seine Schuhe graben musste, um nicht ständig auf dem Hintern zu landen. Mein Zehen taten höllisch weh. Ich hatte das Gefühl einige mussten doch schon gebrochen sein. Und als wir dann den ersten Teil hinter uns hatten und begannen die Steinwüste durchzuwandern, konnte ich nicht mehr. Meine Wanderschuhe waren einfach zu hart und meine Zehen hatten bei der Rutschpartie immer gegen die harte Front gepresst. Und so war Kale mal wieder mein Held, als er seine Turnschuhe auszog und sie gegen meine Wanderschuhe tauschte. Wieder schneller vorankommend und mit erträglichen Schmerzen gingen wir von Regen und Sonnenschein begleitet durch die Steinwüste. Und besonders schnell waren wir nicht mehr. Diese Steinwüste schien uns endlos, so weit das Auge reichte, Felsen und Steine auf denen sich ein Weg zu bahnen schien. Aber wie wir ja alle wissen, alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.

Am Ende dieser Steinwüste warteten die Porter auf uns mit einer frisch aufgeschnittenen Ananas und einem etwas grimmigen Gesicht, weil wir spät dran waren. Die hatten aber auch gut reden, schließlich sind diese eine ganz andere Strecke an dem Tag gelaufen, nämlich nicht über die Spitze, sondern um den Berg herum.

Weiter ging es nun eine leicht abfallende Strecke entlang und alle waren mit den Nerven schon echt am Ende. Wir wollten alle nur noch ankommen und unsere Füße hochlegen. Fast hätten wir keinen Blick mehr für die unglaublich schönen Dinge in unserer Umgebung gehabt, wie zum Beispiel die zwei Krater, die sich plötzlich neben unserem Weg auftürmten und die wir umrundeten. Es war einfach faszinierend und wunderschön. Aber lange Zeit blieb uns nicht, denn es wurde langsam dunkel und wir hatten noch einen weiten Weg vor uns. Also weiter bergab, auf rutschigem Vulkangestein und immer schön aufpassend, nicht hinzufallen. Und dann traf das ein, was alle befürchtet hatten, in absoluter Dunkelheit, mit nur drei Taschenlampen, ging es runter und wir klammerten uns aneinander, um bloß niemanden zu verlieren. Zwischen Gräßer und Büschen hindurch und wir waren heilfroh, als uns endlich einer der Porter entgegenkam, um nach uns zu schauen. Jetzt ist die Zeit zuzugeben, dass ich weinte. Meine Füße schmerzten so sehr, dass ich sie amputieren wollte und meine Knie wollten einfach nur noch den Geist aufgeben. Und dann kam das Lager in Sicht und als ich endlich saß, im Schutz der Dunkelheit, wurden aus den Tränen Sturzbäche der Erleichterung.
In dieser Nacht schlief ich schnell ein durch die Erschöpfung und wurde früh von meinen geplagten Muskeln geweckt.

Einer der Krater

Der dritte Tag begann mit einem neuen Guide, Jabby! Jabby führte uns durch den Regenwald, denn genau diese Etappe würden wir den gesamten dritten Tag bestreiten. Und wie man so schön weiß, heißt der Regenwald nicht umsonst Regenwald und wir wurden an diesem Tag ordentlich begossen. An der Baumgrenze wurden wir leiser und ruhiger, weil wir alle wussten, dass ist die einzige Chance einen der Elefanten zu sehen, die hier leben. So ging es in angenehmer Stille mit wenig Geflüster weiter. Zwischen riesigen Bäumen und Sträuchern durch, über umgefallene Baumstämme und in Begleitung der Tiergeräusche aus dem Wald. Zwischendrin lichtete sich der Wald und wir stiegen über Lavaströme, aus den verschiedenen Ausbruchjahren. Sich dabei zu überlegen, welche Kräfte hier am Werk waren und was alles unter den Lavamassen begraben wurde, ein unglaubliches Gefühl, da jetzt einfach so drüber spazieren zu können. Und dann hörte Jabby den Elefanten und es musste alles schnell und leise zugleich gehen. Wir rannten durch die Bäume, über rutschige Böden und trotzdem konnten wir den Elefanten nicht sehen. Wir waren einfach zu viele Leute, die nach Mensch riechen und zu laut sind. Wir erreichten ein Plateau, von welchem wir einen schönen Blick auf einen See hatten. Und da hatten wir Glück und sahen eine Antilope am Wasserrand stehen und trinken.
Es ging weiter durch den Regenwald, wir wurden vom Regen durchnässt und kletterten über umgefallene Baumstämme und rutschten mehr als einmal auf dem Steingeröll am Boden aus. Es war alles einfach zu rutschig und steinig. Wie ich diese Steine verflucht habe, nachdem ich das 10 mal fast hingefallen war und dann letzten Endes natürlich auch fiel. Die Dunkelheit brach ein und wir mussten uns beeilen. Jedoch im Stockdunkeln weiter hinab auf dem rutschigen Untergrund war nicht gerade einfach. Dazu noch die schmerzenden Füße. Aber dank Jabbys Einsatz und der Leihgabe seines Gehstocks ging es dann doch recht zügig voran. Und als wir dann endlich ankamen und die Spaghetti in uns hineingeschaufelt hatten, legten wir uns in unser Zelt und die Erschöpfung ließ uns einmal mehr sofort einschlafen.

 Kratersee im Regenwald


Elefantenfußabdruck

Am nächsten Morgen war es wie in einem Pumakäfig aufzuwachen. Wir stanken alle so schlimm, dass wir uns vor uns selbst ekelten. Aber es war ja nicht mehr weit bis nach Limbe und wir machten uns schnell auf den Weg. Und nicht einmal 2 Stunden später standen wir endlich am Strand und ließen unsere erschöpften Muskeln in den Wellen ausruhen, bevor es mit dem Auto zurück nach Buea ging.
Eine Nachricht von einem unserer Porter am Strand von Limbe

An dieser Stelle möchte ich einen großen Dank an unsere Porter und Guides aussprechen! Ohne euch wäre ich niemals da hinaufgelangt und noch weniger heil wieder runtergekommen. Außerdem haben wir in euch auch neue Freunde gefunden und hatten einfach viel Spaß.

See you later, alligator!

PS: The english version is comming soon!

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